„Zuhause“ von Daniel Schreiber

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„Wo gehören wir hin? Was ist unser Zuhause in einer Zeit, in der sich immer weniger Menschen sinnstiftend dem Ort verbunden fühlen, an dem sie geboren wurden? In seinem persönlichen Essay beschreibt Daniel Schreiber den Umschwung eines kollektiven Gefühls: Zuhause ist nichts Gegebenes mehr, sondern ein Ort, nach dem wir uns sehnen, zu dem wir suchend aufbrechen. Schreiber blickt auf Philosophie, Soziologie und Psychoanalyse, und zugleich erzählt er seine eigene Geschichte: von Vorfahren, die ihr Leben auf der Flucht verbrachten. Von der Kindheit eines schwulen Jungen in einem mecklenburgischen Dorf. Von der Suche nach dem Platz, an dem wir bleiben können.“

„Heimat“ ist ein großes Thema in meinem Leben. Ich bin innerhalb von 13 Jahren neun Mal umgezogen, und bis auf meine polnischen Großeltern ist niemand aus meiner Familie an dem Ort, an dem sie noch vor einigen Jahren waren, geschweige denn zu meiner Geburt. Bis zum Alter von 21 Jahren habe ich in vier verschiedenen Ländern gelebt – Deutschland, England, Polen und Frankreich. Mein Vater wohnt mittlerweile in Franken und meine Mutter in Warschau, während ich am Donnerstag nach Berlin gezogen bin – die Stadt, in der ich geboren wurde, an die ich jedoch nur noch wenige Erinnerungen habe.

Inzwischen ist „Heimat“ für mich etwas Abstraktes. Ich bin nicht mehr auf der Suche nach einem Ort, der diese Funktion für mich erfüllen soll, sondern definiere den Begriff über meine Lieblingsmenschen und Gegenstände, die für mich einen sentimentalen Wert haben – darunter natürlich auch meine Bücher. Doch der Weg zu dieser Erkenntnis war oft geprägt von einem Gefühl der Verlorenheit und Entwurzelung. Genau hier holte mich „Zuhause“ von Daniel Schreiber ab: Ich habe bisher tatsächlich wenige Menschen getroffen, denen es so geht wie mir. Als ich den Klappentext las, fühlte ich mich sofort verstanden.

„Zuhause ist inzwischen etwas, das wir uns in einem lebenslangen Prozess suchen und selbst aufbauen müssen: gleichermaßen ein realer wie ein innerer, ein spiritueller und ein sozialer Ort, an dem wir uns aus Gründen, die uns nicht einmal bewusst sein müssen, niederlassen.“

Daniel Schreiber beschreibt in seinem Buch seine eigenen Erfahrungen und gibt Einblicke in seine Lebensgeschichte sowie die seiner Vorfahren. Er erzählt von einer Zerrissenheit, die mir sehr bekannt ist und erforscht, was es eigentlich heißt, irgendwo zuhause zu sein.

„Wie, wenn nicht durch das Aufbrechen zu neuen Orten, sollte man sich weiterentwickeln? Wie dafür sorgen, dass wir nicht unser ganzes Leben auf einmal angenommenen Positionen und in einmal übergestreiften Haltungen verharren?“

Mir hat es sehr gut getan, dieses Buch zu lesen. Zwar habe ich es in einem Moment getan, in dem mich die Frage nach Heimat nicht so stark beschäftigte wie zu früheren Zeitpunkten in meinem Leben, doch Daniel Schreiber fasst vieles in Worte, das ich auch schon oft versucht habe, zu beschreiben und zu verstehen. Dabei teilt er auch schmerzvolle Erinnerungen, findet aber dennoch einen positiven und hoffnungsvollen Zugang. Ein sehr empfehlenswertes Buch für jeden, der sich verloren fühlt, sich fragt, wo eigentlich „Zuhause“ ist und wie man es für sich definiert.

Daniel Schreiber: Zuhause: Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen. Hanser Berlin. ISBN: 978-3-446-25474-9. 144 Seiten. 18,00€.

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