„Milk Teeth“ von Jessica Andrews

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„A girl grows up in the north of England amid scarcity, precarity and the toxic culture of heroin chic, believing that she needs to make herself smaller to claim presence in the world.

Years later, as a young woman with unattainable ideals, she meets someone who calls everything into question, and is forced to confront episodes from her past. Their relationship takes her from London to Barcelona and the precipice of a new life, full of sensuality. Yet she still feels an uneasiness. In the sticky Mediterranean heat, among tropical plants and secluded beaches, she must decide what form her adult life should take and learn how to feel deserving of love and care.“

Ich liebe es, gute Bücher zu finden. Doch besonders magisch fühlt es sich an, wenn Bücher mich finden. So ging es mir, als mir in einer Londoner Buchhandlung Milk Teeth in die Hände fiel, ich reinblätterte und das starke Gefühl bekam, dass dieses Buch in meinen Besitz wandern müsste – ohne, dass ich genau hätte benennen können, warum. Nachdem ich die letzten Monate die wohl längste Leseflaute meines Lebens hatte und dann mal wieder ein erneuter Umzug anstand, begleitet und gefolgt von einer außergewöhnlich trubeligen, aufwühlenden Phase in meinem Leben, sah ich dieses Buch. Nahm es in die Hand. Vertiefte mich. Und konnte schnell kaum genug davon bekommen, konnte es kaum fassen, wie wunderschön und zugleich knallhart die Sätze in mein Herz trafen, wie sehr sie mich abholten und berührten.

„My breath catches in my chest and I hate it. I have been strong and self-contained for a long time now. I don’t rely on anyone else. But now you are in me and just like that, you hold the soft, wet muscle of my exposed heart in your hand.“ S. 15

Ich habe mir Zeit gelassen mit dieser Lektüre. Wusste, dass es die Stimmung, in der ich mich gerade befinde, zusätzlich verstärkt, und dafür musste ich mich gewappnet fühlen. Jessica Andrews schreibt über eine junge Frau, die sich zwischen verschiedenen Orten bewegt – sei es London, Paris, Barcelona oder irgendwo zwischendrin – und dabei liegt der Fokus sehr auf ihrem Erleben, ihren Gedanken und Eindrücken. Wir begleiten sie bei ihrer Weltwahrnehmung, bei der Liebe, die sie viel Ambivalentes fühlen lässt, das ich nachempfinden konnte. Ich habe mir selten so viele Sätze mit Bleistift unterstrichen, Seiten markiert, und sie nach dem Lesen der letzten Seite direkt alle nochmal durchgelesen.

„I know about weight and what it’s like to feel your past pressing down on you, to drag it through the days. I know about space; how to hide and shrink from it. I know about reinventing yourself and I know about running away.“ S. 30

Dieses Buch hat für mich genau das erfüllt, was ich mir so oft vom Lesen erhoffe. Andrews schreibt nicht nur wahnsinnig poetisch, sondern fängt in Milk Teeth komplexe, tiefgehende Gedanken und Gefühle verdammt treffend ein – und benennt damit zum Teil das Unsagbare, ohne es plakativ oder plump werden zu lassen. Ich habe mich sehr mit der Protagonistin, die stetig auf der Suche nach etwas Ungreifbarem ist, identifiziert und die literarisch-melancholische Stimmung auf jeder Seite aufgesogen. Ich glaube nicht, dass mich das Buch in jeder Lebenslage gleichermaßen abgeholt hätte, doch für mich war es genau das richtige Buch zur richtigen Zeit. Auf die erste Seite habe ich mir „August 2022“ notiert und bin mir sicher, dass es für mich immer mit genau dieser Zeit verknüpft bleiben wird.

Und weil ich mich nicht für nur wenige Zitate entscheiden konnte, hier eine Sammlung von Sätzen, die ich mir beim Lesen angestrichen habe:

  • „I have lived in so many different places and none of them ever really felt like mine. I have always felt like other people have more right to a space than I do, as though I am not quite the right shape, as though none of it rightfully belongs to me.“ S. 34
  • „I know that I should try to forget you but the thought of you ignites the part of me that wants unattainable things like beauty and thunder, hurtling towards a sense of something I cannot explain.“ S. 61
  • „I want to live on my own terms and it is difficult to know what those are when my feelings are all tangled up in you.“ S. 151
  • „I feel knotted and sore when I think of you, as though I have dropped something small and precious, lost in the infinite sand.“ S. 211
  • „I wonder whether she was always like this or if she grew to fit her surroundings, whether we define our spaces or if they shape us and what that means for me.“ S. 231

Jessica Andrews: Milk Teeth. Hodder & Stoughton. ISBN: 978-1-4736-8284-9. 256 Seiten. 

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