„Menschliche Dinge“ von Karine Tuil

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„Die Farels sind schön und reich, haben Einfluss und Macht: Jean Farel ist ein prominenter Fernsehjournalist, seine Frau Claire eine Intellektuelle, bekannt für ihr feministisches Engagement. Ihr Sohn Alexandre, gutaussehend, sportlich, eloquent, studiert an einer Elite-Uni. Eine Familie wie aus dem Bilderbuch, könnte man meinen. Doch eines Morgens steht die Polizei bei den Farels vor der Tür, eine junge Frau hat Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet. Die glanzvolle gesellschaftliche Fassade zeigt gefährliche Risse. Inspiriert vom „Fall Stanford“ und vor dem Hintergrund der #MeToo-Debatte, erzählt Karine Tuil in Menschliche Dinge von den Auswüchsen einer Gesellschaft, die auf Leistung und Selbstdarstellung getrimmt ist, in der sich jeder nimmt, was er haben will.“

Vor einigen Jahren las ich Die Gierigen von Karine Tuil und deklarierte das Buch nach der Lektüre zu einem meiner neuen Lieblingsbücher. Seitdem sind einige Jahre vergangen, ihr Roman Die Zeit der Ruhelosen zog bei mir ein, doch aus irgendeinem Grund blieb es ungelesen im Regal stehen. Nun erschien ihr Buch Menschliche Dinge und das war nun endlich Auslöser genug, mal wieder zu einem Roman von Karine Tuil zurückzukehren. Eine hervorragende Idee!

Zunächst einmal vorweg: Gerichtsdramen sind genau mein Ding. Das habe ich in den letzten Monaten festgestellt, und insbesondere bei den Büchern Der Gesang der Flusskrebse und Miracle Creek genossen. Es fasziniert mich, dass jeder Mensch eine andere, eigene Version derselben Geschehnisse hat, dass die absolute Wahrheit nicht existiert und sich alle paar Seiten ändern kann, wem man als Leser:in glaubt oder wovon man felsenfest überzeugt zu sein scheint. Im Zentrum dieses Romans steht eine vermeintliche Vergewaltigung und reiht sich somit sehr gelungen in die bestehende #MeToo-Debatte ein. Interessant ist, dass alle Charaktere eher unnahbar und distanziert bleiben. Die Familie Farel ist reich, unsympathisch und eigensinnig – für ihren Erfolg würden sie – so wirkt es – über Leichen gehen. Dennoch bewegt Karine Tuil ihre Leser:innen dazu, nuanciert und differenziert mitzudenken, wie dieser Fall zu lösen sein könnte.

Mich hat dieses Buch völlig in seinen Bann gezogen. Der klare, zugängliche und dennoch literarische Schreibstil trifft genau meinen Geschmack und auch das Tempo, in dem sich die Geschichte entwickelt, hat mir sehr gefallen. Nun habe ich noch mehr Lust, auch Die Zeit der Ruhelosen zu lesen und mit Sicherheit auch alles Weitere von Karine Tuil.

Der Ullstein Verlag hat mir netterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür! Meine Meinung zu dem Buch beeinflusst das natürlich nicht.

Karine Tuil: Menschliche Dinge. Claassen Verlag. ISBN: 978-3-546-10002-1. 384 Seiten. 22,00€. Aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff.

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