Ein Interview mit dem klügsten Menschen, den ich kenne

Veröffentlicht in: Gedanken | 5

Andrzej Radźko (82) hat Philsophie studiert, Statistik an der Universität unterrichtet und ist Ghostwriter vieler renommierter Professoren. Er ist außerdem mein Opa. Wie er das Leben sieht und was es ihm gelehrt hat, hat er mir in einem Interview verraten.

Wie geht es dir heute?

Nicht so gut. Weil meine Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt ist. Ich würde gerne spazierengehen, in der Stadt rumlaufen, aber das kann ich nicht, weil ich mittlerweile so einen unbeweglichen Körper habe.

Was war das schönste Ereignis in deinem Leben?

Bis Dezember 1963, als ich 27 Jahre alt war, wohnte ich zusammen mit meiner Mutter und meiner Tante in einer Wohnung, deren Fläche 12 Quadratmeter betrug, in der es kein Bad, kein fließendes Wasser und kein Gas gab. Es gab nur Elektrizität. Am 11. Dezember 1963 zogen wir endlich um. Und es war für mich ein besonders wundervolles Erlebnis, dass wir auf einmal 37 Quadratmeter hatten, es ein Bad und warmes Wasser gab und es überhaupt so eine europäische Wohnung war. Also denke ich, dass das einer der prägendsten Momente der Freude in meinem Leben war.

Bereust du etwas?

Nein, ich denke nicht. Obwohl ich mich gerne noch bewegen könnte.

Wenn du nochmal jung wärst, was würdest du anders machen?

Ich würde feiern. Ich würde auf alle möglichen Partys gehen, in Discos. Ich würde es tun, gerade weil ich sowas nie gemacht habe. Ja, ich denke, das wäre schön.

Was ist ein Lebenstipp, den du mir unbedingt mitgeben möchtest?

Beeil dich nicht. Damit, Entscheidungen umzusetzen, dich zu etwas zu äußern, Freundschaften zu schließen oder in der Liebe.

Gibt es ein Buch, das dich am meisten geprägt hat?

Ein Buch, das ich am meisten schätze, ist „Lalka“ („Die Puppe“) von Boleslaw Prus. Der Autor beschreibt darin das Leben in Warschau am Ende des 19. Jahrhunderts. Und ich mag das 19. Jahrhundert  – ich hätte gerne damals gelebt. Das Zeitalter der Dampflokomotiven. Das Buch habe ich etliche Male gelesen.

Ich weiß, dass du in jeder Stadt, in der du warst, eine Tour durch die Buchhandlungen gemacht hast. Wo befand sich die tollste Buchhandlung?

Es war eine Buchhandlung in London. Ich erinnere mich weder  an den Namen noch an die genaue Adresse, aber wenn ich in London wäre, könnte ich hinfinden. Irgendwo in der Innenstadt. Es hat so einen Eindruck auf mich hinterlassen, weil ich dort sehr viele hervorragende Lehrbücher über Statistik  gefunden haben, was mich interessiert hat. Ich war mehrere Male dort.

Welches Alter ist am Besten?

Siebzig. Weil man frei ist und keine Verpflichtungen hat. Man ist in Rente, muss sich nirgendwo hin beeilen und gleichzeitig ist man noch nicht so ein körperliches Wrack. Ich bin jetzt 82 einhalb Jahre alt. Als ich 70 war, bin ich noch durch Europa gereist.

5 Antworten

  1. Linda

    Ach, schön! Es ist immens wertvoll, älteren Menschen zuzuhören und ihre Lebensweisheiten zu lernen. Toller Post! 😊

  2. Isabel

    Großartig! Gerade entdeckt und so toll.
    Vielen DAnk für das schöne Interview.
    Liebe Grüße
    Isabel

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