„Alef“ von Katharina Höftmann Ciobotaru

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„Maja wächst in Ostdeutschland auf. Ihre Mutter Astrid ist eine Karrierefrau, sie hat zwar ein Alkoholproblem, geht aber aus der Wende als Gewinnerin hervor. Majas Vater Wolf weiß hingegen nach der Wende nichts mehr mit sich anzufangen. Ein Teil der Familie driftet nach rechts. Eitans Vater ist mit Holocaust-Überlebenden aufgewachsen – Eitans Großmutter hat Theresienstadt zwar überlebt, sitzt seitdem aber tagtäglich am Fenster und wartet auf die Rückkehr ihres in Auschwitz ermordeten Bruders Sigi. Seine Mutter stammt aus dem Irak, aus dem ihre Familie nach einem Pogrom nach Israel geflohen ist. Als Maja und Eitan sich begegnen, prallen zwei Welten und zwei Leben aufeinander. Eigentlich ist es die eine, die ganz große Liebe. Aber Eitan fühlt sich nicht wohl in Deutschland und Maja nicht in Israel. Für Eitan ist es wesentlich, dass Maja Jüdin wird, doch sie kämpft mit dem Glauben. Alef erzählt die Geschichte zweier Familien, einer deutschen und einer israelischen. Es ist eine Geschichte von Schicksalsschlägen und Veränderungen, von Schuld und davon, was Liebe überwinden kann – und was nicht.“

Niemals wäre ein Buch wie Alef in meinem Bücherregal gelandet, wären da nicht: 1) der Ecco Verlag, der mir das Buch zukommen ließ, 2) die ersten Stimmen auf Instagram, die den Roman in den Himmel lobten. Keine negative Besprechung weit und breit – das machte mich neugierig. Und als ich den (gewagten!) Vergleich mit Das achte Leben las, rutschte das Buch auf meiner Prioritätenliste ganz nach oben.

Nach den ersten Seiten war ich schockverliebt. Legte das Buch beiseite. Nahm es wieder in die Hand und überallhin mit, um es jederzeit ganz nah bei mir zu haben. Ich traute mich eine Weile nicht weiterzulesen, weil ich wusste: dieses Buch wird mich verändern. Wird vielleicht das beste Buch sein, das ich dieses Jahr lesen werde. Doch natürlich konnte ich nicht anders und las schließlich weiter. Erst zaghaft, vor Angst, dass es zu bald vorbei wäre. Dann gierig, hungrig nach diesen Worten, die Katharina Höftmann Ciobotaru auf so poetische, kraftvolle und irgendwie magische Weise aneinanderreiht.

„Wie viele Leben, wie viele Geschichten da draußen in einer Welt verborgen lagen, die nicht unsere Welt war, darüber machten sich die wenigsten Menschen Gedanken.“ S. 153

Alef ist ein großartiges Buch und schafft es mühelos in meine Jahreshighlights. Schon lange habe ich kein Buch gelesen, das sich zunächst so außerhalb meiner Komfortzone anfühlte (die Stichworte „DDR“, „Religion“ und „Judentum“ schreckten mich bisher ehrlicherweise eher ab) und dabei so zugänglich, so nahbar und so Horizonte erweiternd war. Jeder Satz zwang mich, aufmerksam zu lesen und packte mich auf eine Art und Weise, die nur wenige Geschichten schaffen. Ich habe viel über dieses – teilweise autofiktive – Buch nachgedacht, ausgiebig mit meinem Freund darüber geredet und mir Fragen gestellt, mit denen ich noch nie in dieser Form konfrontiert war. Ich wünschte, ich könnte Alef noch mal zum ersten Mal lesen.

Einen kleinen Kritikpunkt habe ich dennoch: Ich hätte gerne mehr von der Liebe zwischen Maja und Eitan erfahren, über sie als Paar, über die kleinen, glücklichen Momente zwischen ihnen. Im Buch wird oft betont, wie allumfassend und unendlich ihre Liebe füreinander ist, doch um besser nachvollziehen zu können, warum die beiden so viel füreinander in Kauf nehmen, wird für meinen Geschmack etwas zu wenig von ihrer Substanz beschrieben. Oft geht es um Missverständnisse, die aus dem Zusammenprall der Kulturen resultieren oder Schwierigkeiten, die es zu bewältigen gilt. Um den beiden beim Lesen emotional näher zu sein, wäre es schön gewesen, mehr in ihre Liebeswelt einzutauchen. Das aber nur ganz nebenbei – ich habe jede Seite geliebt und absolut genossen. Alef von Katharina Höftmann Ciobotaru ist grandiose Literatur.


Der Ecco Verlag hat mir netterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür! Meine Meinung zu dem Buch beeinflusst das natürlich nicht.

Katharina Höftmann Ciobotaru: Alef. Ecco Verlag. ISBN: 978-3-7530-0000-8. 416 Seiten. 22,00€.

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