„1000 serpentinen angst“ von Olivia Wenzel

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„Eine junge Frau besucht ein Theaterstück über die Wende und ist die einzige schwarze Zuschauerin im Publikum. Mit ihrem Freund sitzt sie an einem Badesee in Brandenburg und sieht vier Neonazis kommen. In New York erlebt sie den Wahlsieg Trumps in einem fremden Hotelzimmer. Wütend und leidenschaftlich schaut sie auf unsere sich rasant verändernde Zeit und erzählt dabei auch die Geschichte ihrer Familie: von ihrer Mutter, die Punkerin in der DDR war und nie die Freiheit hatte, von der sie geträumt hat. Von ihrer Großmutter, deren linientreues Leben ihr Wohlstand und Sicherheit brachte. Und von ihrem Zwillingsbruder, der mit siebzehn ums Leben kam. Herzergreifend, vielstimmig und mit Humor schreibt Olivia Wenzel über Herkunft und Verlust, über Lebensfreude und Einsamkeit und über die Rollen, die von der Gesellschaft einem zugewiesen werden.“

„1000 serpentinen angst“ von Olivia Wenzel ist ein Buch, das mich beim Durchstöbern der Frühjahrsvorschauen spontan angesprochen hat, aber nicht genug, um es auf meine mentale Lese-Prioritätenliste zu schaffen. Als ich jedoch mit meinen Buchclub-Freundinnen darüber abstimmte, welches Buch wir als nächstes gemeinsam lesen würden, bekam Olivia Wenzels Debütroman die meisten Stimmen. Die Entscheidung war gefallen, der S. Fischer Verlag stellte mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung, und innerhalb kurzer Zeit hatte ich den Roman gelesen.

Olivia Wenzels Roman ist unkonventionell: Die Erzählstruktur und Zeitformen wechseln unerwartet, teilweise liest sich das Buch wie ein Verhör. Trotz der lockeren Sprache, die Olivia Wenzel für die Darstellung ihrer Protagonistin verwendet, werden große Themen aufgemacht: Es geht um die Suche nach der eigenen Identität, den Umgang mit Verlust und Tod, die Frage nach Zugehörigkeit und alltäglichen/strukturellen/radikalen Rassismus in der Gesellschaft. Die Ich-Erzählerin ist eine schwarze Frau, sie ist bisexuell und ihre Familiengeschichte ist kompliziert und entfacht in ihr ein Gefühl der Orientierungslosigkeit.

Eigentlich ist „1000 serpentinen angst“ ein Buch, das mich normalerweise total abholen sollte. Hat es nur leider nicht ganz. Während es aufregend und erfrischend sein kann, wenn Bücher ungewöhnliche Erzählstrukturen haben (wie zum Beispiel bei „In the Dream House“), war mir dieser Roman zu wirr, zu chaotisch und willkürlich erzählt. Die Art und Weise, Fragmente des Textes als eine Art Verhör darzustellen, hat für mich nicht funktioniert. Dadurch sind die Seiten dahingeblättert, aber das Schöne, Literarische und Eloquente habe ich in dem Roman vermisst. Hinzu kam, dass es meines Erachtens keinen richtigen Spannungsbogen gab und die Geschichte teilweise vor sich hingeplätschert ist. Am Ende hat zwar vieles wieder zusammengepasst und die Puzzlestücke haben ein Bild ergeben, doch der Weg dahin war für mich nicht immer einleuchtend.

„1000 serpentinen angst“ von Olivia Wenzel ist definitiv ein wichtiges Buch, das aktuelle Themen auf eine literarische Art bearbeitet und sich mit bedeutsamen identitären Fragen auseinandersetzt. Inhaltlich sehr spannend und originell – ich fühle mich durch die Lektüre bereichert. Der Aufbau und die Erzählweise waren nur leider gar nicht meins.

Der S. Fischer Verlag hat mir netterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür! Meine Meinung zu dem Buch beeinflusst das natürlich nicht.

Olivia Wenzel: 1000 serpentinen angst. S. Fischer Verlag. ISBN: 978-3-10-397406-5. 352 Seiten. 21,00€.

  1. Lea

    Hej ho,

    ich fand den Aufbau und die Erzählweise gewöhnungsbedürftig, aber es ging dann irgendwann doch sehr gut.
    Ich mochte das Buch total und war sehr traurig, dass es nicht ausgezeichnet wurde.

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